Die Harninkontinenz ist jeder unfreiwillige Harnverlust, der ein soziales oder hygienisches Problem darstellt. Bei einer Belastungsinkontinenz (Stressinkontinenz) kommt es zu einem Urinverlust vor allem bei körperlicher Aktivität,
Husten, Niesen und Lachen, wenn der Beckenboden –Schließmuskel zu schwach ist. Sie wird unterteilt in 3 Schweregrade:

Grad I Urinverlust beim Husten, Pressen und Niesen
Grad II Urinverlust beim Gehen, Bewegen und Aufstehen
Grad III Urinverlust bereits im Liegen

Die häufigste Ursache bei der Frau ist eine allgemeine Beckenbodenschwäche, wobei wesentliche Risikofaktoren mehrere vaginale Geburten ohne Kaiserschnitt und ein deutliches Übergewicht sind. Bei Männern ist die Belastungsinkontinenz oft Folge von Operationen im Beckenbodenbereich (postoperative Belastungsinkontinenz)

Dagegen liegt bei einer Dranginkontinenz (Urge-Inkontinenz) eine Überaktivität des Blasenmuskels (Detrusorhyperaktiviät), die durch Infektionen, Steine und Tumore in der Harnblase ausgelöst werden kann, vor. Auch gibt es Mischformen einer aktiven Dranginkontinenz mit einer passiven Stressinkontinenz (Harnmischinkontinenz) sowie eine neurogene Inkontinenz, die durch neurologische Krankheiten (z.B. Multiple Sklerose, Demenz, Alzheimer Krankheit ) ausgelöst werden. Hier kommt es häufig zu einem imperativen Harndrang mit Dranginkontinenz und gehäuften Wasserlassen, aber auch Inkontinenz ohne Harndrang (Reflexinkontinenz)

Bei einer anatomisch bedingten Blasenentleerungsbehinderung (angeborene Harnröhrenklappen, erworbene Harnröhrenenge, Prostatavergrößerung durch Prostataadenom oder Prostatakrebs) mit Restharnbildung  kann unbehandelt eine Überlaufinkontinenz auftreten. Sehr selten tritt auch ein Urinverlust , der nicht über die Harnröhre erfolgt (extraurethrale Inkontinenz). Ursache sind Fisteln nach Operationen oder Strahlentherapie im kleinen Becken oder angeborene Anomalien (z.B. ektrope Harnleiter, die in die Scheide einmünden).

Bei jedem 8.Erwachsenen in Deutschland liegt eine Harninkontinenz, vor allem mit zunehmendem Alter vor. Die Lebensqualität der Patienten ist deutlich eingeschränkt und führt bei vielen Betroffenen zu seelischen Beeinträchtigungen bis hin zu Depressionen und sozialer Isolation. Aus Schamgefühl, Informationsdefizit über die möglichen Therapien und Therapieerfolge suchen Patienten mit Harninkontinenz oft erst sehr spät fachärztliche Hilfe. Die ökonomischen Folgekosten der Harninkontinenz werden in Deutschland auf ca. 4 Mrd. € geschätzt.

  • Diagnostik bei Harninkontinenz

    Die genaue Anamnese ( Erhebung der Krankengeschichte) erfasst neben den Vor- und Begleiterkrankungen, die Medikation, die detaillierte Erfassung der Inkontinenz mittels standardisierter  Fragebögen ( Urinary Incontinence Symptome Score), Blasentagebuch (Miktionsprotokoll), Fragebogen zum Windelvorlagenverbrauch ( Pad-Test) und Fragen zur Lebensqualität (Kings Health Questionaire). 
    Bei der nachfolgenden körperlichen Untersuchung wird die Harnblase und umgebenden Organe abgetastet, wobei bei der Frau die Beckenbodenmuskulatur und beim Mann die Prostata beurteilt werden. Im Urinlabor werden durch Streifentests, Mikroskopie , Blasentumormarker-Tests und Anlegen einer Urinkultur im Brutschrank nach Infektionen und Tumoren im Harntrakt gesucht. Die nachfolgende Sonographie (Ultraschalluntersuchung) erfasst die Lage der Niere und der ableitenden Harnwege, Nieren- oder Blasensteine, Tumore oder angeborene Fehlbildungen und kann auch das Füllvolumen und die Entleerungsfunktion der Blase (Restharn-Volumen) erfassen. Mittels transrektaler Sonographie über den Anus  ist eine sehr genaue Beurteilung der Harnblase, des Blasenhalses und der Prostata möglich, um auch Steine und Tumore in diesem Bereich auszuschliessen.

    Mit der Uroflowmetrie (Harnflussmessung ) , bei der der Patient seine Blase in einen Messtrichter entleert ,wird mit einem angeschlossenen Messgerät die ausgeschiedene Harnmenge pro Sekunde registriert und eine Harnflusskurve aufgezeichnet, die Aufschluss über die vorliegende Blasenentleerungsstörung bzw. Abflussbehinderung (Harnröhrenverengung, Prostatavergrößerung ) gibt. Mit der Cystoskopie (Blasenspiegelung)  kann der Urologe über einen dünnen Endoskopieschlauch Veränderungen an der Harnröhre, dem Blasenauslass und der Harnblase (Infektionen ? Steine ?Tumore ?) erkennen. Die Untersuchung wird ambulant und in Lokalanaesthesie ( örtlicher Betäubung ) durchgeführt.

    Bei der Urodynamischen Messplatz-Untersuchung wird die Blasen- und Schließmuskelfunktion überprüft, indem gleichzeitig der Druck in der Blase über einen dünnen Blasenkatheter und  im Enddarm über einen weichen Enddarmmessfühler bei laufender Blasenfüllung gemessen werden. Hierbei kann eindeutig zwischen einer Belastungs(Stress)-Inkontinenz und einer Dranginkontinenz unterschieden werden.

    Bei der Röntgenuntersuchung wird zur  Darstellung der Nieren, der Blase und der ableitenden Harnwege im Röntgenbild ein Kontrastmittel über die Armvene verabreicht (Infusionsurogramm), für die alleinige Darstellung der Harnblase kann das Kontrastmittel über einen Katheter in die Blase appliziert werden (Cysturethrogramm).

  • Therapie bei Harninkontinenz

    Therapie bei Belastungsinkontinenz

    Bei 1.gradiger Belastungsinkontinenz können zunächst ein Beckenbodentraining und eine spezielle Krankengymnastik mit Erfolg durchgeführt werden. Eine Hormon-Substitutionstherapie mit Östrogenen bei Frauen in den Wechseljahren oder danach ist eine sinnvolle Ergänzung.

    Wenn konservative Therapien versagen oder eine dauerhafte 2.-3.gradige Belastungsinkontinenz vorliegt, sollte eine Operation in spezialisierten Kliniken (KLINIK FÜR FRAUENHEILKUNDE STARNBERG, BECKENBODENZENTRUM MÜNCHEN) durchgeführt werden.

    Bei Bandoperationen (TVT)  wird ein Kunststoffband unter die mittlere Harnröhre über einen kleinen Schnitt in der Scheide spannungsfrei eingelegt und zur Oberschenkelinnenseite hin (transobturatorisch) oder hinter dem Schambeinbogen (retropubisch) ausgeleitet.

    Die OP wird in Spinalanästhesie oder in kurzer Vollnarkose durchgeführt und dauert in der Regel 15 bis 20 Minuten. Die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Besserung und für eine Heilung liegt bei 80 -90%.

    Durch eine Kolposuspensions-OP wird über einen Bauchschnitt die Scheide angehoben und mit Fäden hinter dem Schambeinbogen fixiert und damit der Blasenhals stabilisiert. Dieser Eingriff wird in der Regel in Vollnarkose durchgeführt und dauert ca. 45 Minuten. Nach der Operation sind Restharnkontrollen erforderlich.

    Die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Besserung und für eine Heilung ist mit ca.70 -80% geringer als bei der TVT-Bandoperation.

    Bei Harnröhreneinspritzungen wird durch die Harnröhre Contigen (Kollagen) unter die Harnröhrenschleimhaut am Blasenauslaß gespritzt, so dass die Harnröhre dadurch besser abgedichtet wird. Der Eingriff erfolgt in Lokalanästhesie oder Kurznarkose (5-10 min). Die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Besserung und für eine Heilung beträgt ca. 60%.
    Dr.Dierkopf führt diesen minimal-invasiven Eingriff in der Urolog. Klinik des Klinikums Starnberg durch.

    Therapie bei Dranginkontinenz

    Bei der  Dranginkontinenz sind Medikamente, die die Blase beruhigen (Anticholinergika) Mittel der Wahl. Hiermit wird der Harndrang vermindert, die Miktionsintervalle (Zeiten bis zum nächsten Wasserlassen) verlängert.

    Bei leichterer Dranginkontinenz – v.a. bei Kindern mit Enuresis – kann ein spezielles Verhaltenstraining ( z.B. Biofeedback-Training) erfolgreich sein.

    Als letzte Therapiealternative, wenn Verhaltenstraining und die medikamentöse Therapie mit Anticholinergika versagen, kann die Einspritzung des Nervengiftes Botulinumtoxin in die Blase durchgeführt werden. Hierdurch wird die Übertragung von Impulsen in der Muskulatur gehemmt. Allerdings ist diese intravesikale Bototox-Therapie ausgewählten Fällen vorbehalten und muss bedarfsabhängig, oft in halbjährlichen Abständen wiederholt werden.
    Dr.Dierkopf führt diesen minimal-invasiven Eingriff in der Urolog.Klinik des Klinikums Starnberg durch.

    Therapie bei Überlaufinkontinenz

    Als Erstmaßnahme, um vor allem den Blasenschmerz zu nehmen, wird ein Blasenkatheter eingelegt. Eine nachfolgende Ursachenklärung entscheidet über das weitere operative Vorgehen (Harnröhren- oder Prostata-OP).

    Entscheidend ist die rechtzeitige operative Beseitigung der mechanischen Obstruktion . Eine Überlaufinkontinenz muss schnellstmöglich behandelt werden, damit strukturelle und funktionelle Schädigungen des unteren (Überdehnung des Blasenmuskels) und auch des oberen Harntraktes (z.B. Harnstauungsnieren) vermieden werden.

    Therapie bei extarurethraler Inkontinenz

    Hier kann nur die Operation der Anomalie oder Fistel in spezialisierten urologischen Kliniken zu einer Heilung führen.

    Weitere detaillierte Informationen zum Thema Harninkontinenz können auf der Website der Deutschen Kontinenz Gesellschaft:  www.kontinenz-gesellschaft.de abgerufen werden.