Ejakulationsstörungen und  Orgasmusmusstörungen

Beim Samenerguss (Ejakulation) unterscheidet man den vorzeitigen Samenerguss (Ejaculatio präcox), die verzögerte (Ejaculatio retarda) oder ausbleibende Ejakulation (Anejaculatio) von der rückwärtigen (retrograde Ejaculatio) und der schmerzhaften Ejakulation. Ejakulations- und Orgasmusstörungen sind als Störungen des sympathischen Nervensystems, die durch eine Dysbalance des Neurotransmitters Serotonin entstehen können, anzusehen. Im Alter nehmen die Intensität der Ejakulation und die Spermamenge ab.

Bei Krankheiten, die die sympathischen und parasympathischen Nervenfasern betreffen können, kann es zu Erektionsstörungen und  auch zu Störungen der Ejakulation kommen, so dass der Samenerguss ausbleibt (Anejakulatio) oder bei fehlendem Blasenhalsverschluß beim Orgasmus in die Blase gelangt und erst später mit dem Urin entleert wird (retrograde Ejakulation). Ursächlich hierfür sind Polyneuropathien ( z.B. im Rahmen eines fortgeschrittenen Diabetes mellitus) oder andere Erkrankungen des Nervensystems. Auch Medikamente (z.B. uro-selektive Alpharezeptorenblocker) und Operationen am Blasenhals (z.B. TUR Prostata oder Laservaporisation der Prostata) können zur retrograden Ejakulation führen, wenn die Blasenhalsmuskulatur den Blasenhals nicht mehr vollständig abschließen kann.

Die Hauptmenge des Spermas kommt zu ca. 50 – 70 % aus den Samenblasen und zu ca. 25 – 30 % aus der Prostata und zu ca. 2 % – 5 % aus den im Beckenboden lokalisierten Cowperschen Drüsen, deren Sekret direkt vor dem Samenerguss in die Harnröhre ausgeschieden wird und die Harnröhre gleitfähig macht.

Während der lebenslange vorzeitige Samenerguss genetisch bedingt auf eine Fehlfunktion der Serotonin-Rezeptoren zurückzuführen ist, wird die erworbene Ejaculatio präcox z.B. durch eine Erektile Dysfunktion, Prostatitis oder auch durch Schilddrüsenstörungen ausgelöst.

Bei verzögerter oder ausbleibender Ejakulation bzw. Ejaculatio retarda können entweder veränderte Stimulationstechniken, spezifische Medikamente oder aber medizinische Vibratoren zum Erfolg führen. Eine schmerzhafte Ejakulation wird oft durch Prostataerkrankungen (Prostataadenom, Prostatitis) ausgelöst und lässt sich durch deren Behandlung meist beseitigen.

  • Vorzeitiger Samenerguss (Ejakulatio praecox)

    Die Ejakulatio präcox ist die am häufigste beobachtete Sexualstörung des Mannes, wobei fast jeder 4. davon betroffen ist (Porst et al. (2007): The Premature Ejaculation Prevalence and Attitudes (PEPA) Survey,Comorbidities, and Professional Help-Seeking. European Urology 51:816–824)

    Bei ca. 2/3 aller Betroffenen handelt es sich um eine lebenslange Ejakulatio präcox, die mit Beginn der sexuellen Aktivität auftritt und ohne Behandlung lebenslang bestehen bleibt. Es handelt sich um eine organische Fehlfunktion der Serotonin-Rezeptoren  und nicht um eine psychische  Erkrankung. Unabhängig vom Alter kommt es dabei innerhalb der ersten 2 Minuten nach Endringen in die Scheide zum Samenerguss (verkürzte Intravaginal Ejaculation Latency Time). Bei einem erworbenen vorzeitigen Samenerguss kommt es erst im Lauf des Lebens plötzlich durch Erkrankungen bei  gleichzeitigen Erektionsstörungen (erektile Dysfunktion),  bei Entzündungen der Prostata (Prostatitis) , bei Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) oder bei einem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts- Syndrom) sowie bei  Änderungen des Lebensumfeldes ( neue Partnerin) plötzlich zu einem vorzeitigen Samenerguss.

    Hierdurch kann es zu gravierenden Auswirkungen auf das Sexualleben und Psyche des betroffenen Mannes (Depressionen)  wie auch auf die Partnerschaft kommen. Viele betroffene Männer meiden dann nicht nur jegliche Sexualität, sondern auch Partnerschaften und isolieren sich. Die Partnerinnen von Männern mit vorzeitigem Samenerguss sind oft so frustriert, dass sie die Lust auf Sex verlieren und sich auch zurückziehen. In Folge treten bei den betroffenen Partnerinnen häufiger Orgasmusstörungen bis hin zu einem nicht erreichbaren Orgasmus (Anorgasmie) auf, die dann oft ( in ca. 25% der Fälle) zu eine Trennung vom Partner führt.

    Die Diagnose des vorzeitige Samenergusses wird durch den erfahrenen Urologen durch die Anamnese des Patienten, die meist sehr genau berichten, wie schnell es zum Samenerguss kommt, gestellt. Hierzu können auch Fragebogen-Scores eingesetzt werden.

    Zur Therapie der Ejakulatio praecox wurden früher verhaltenstherapeutische Therapien (z.B. Squeeze- und die Start-Stopp-Methode nach Mastes und Johnson) mit nur sehr kurzfristigen und begrenzten Erfolg eingesetzt. Auch die  lokale Anwendung von betäubenden Medikamenten ( Salben und Cremes mit  Lokalanästhetika) sind dauerhaft nur schwer anwendbar und wenig praktikabel (Einwirkzeit 15-20 min., Abwaschen vor dem Geschlechtsverkehr, um die Übertragungsmöglichkeit in die Scheide zu vermeiden).

    Bewährt haben sich bei der Ejakulatio praecox  Antidepressiva (sog. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)) , die das Ejakulationszentrum durch ein Heraufsetzen des Serotonin-Spiegels hemmen. Allerdings müssen die SSRI täglich eingenommen werden und entfalten ihre volle Wirkung beim vorzeitigen Samenerguss erst nach 1-2 Wochen. Die durch die erforderliche tägliche Einnahme häufig auftretenden Nebenwirkungen (wie z.B. Übelkeit, Kopfschmerzen, Müdigkeit, und Schwindel) limitieren diese Medikamententherapie. Auch kann es bei chronischer Einnahme zur Fruchtbarkeitsstörungen des Mannes (Infertilität) und zu DNA-Schäden mit dem Risiko von späteren Missbildungen kommen.

    Aktueller Therapie-Standard ist  die Einnahme eines sehr schnell und kurz wirksamen Selektiven Serotonin-Reuptake-Inhibitors ( Dapoxetin) , der bei Bedarf   1-3 h vor dem Geschlechtsverkehr eingenommen wird. Schon 1h nach Tabletten- Einnahme wird die maximale Wirksamkeit entfaltet und 24 h nach Einnahme des Medikaments  sind  96 % des Medikaments aus dem Körper ausgeschieden. Nach Medikamenteneinnahme wird durchschnittlich eine Verlängerung der IELT-Zeit um über das 3-fache erreicht. Durch die deutlich verlängerte Zeit bis zum Samenerguss gewinnen auch die Partnerinnen wieder wesentlich mehr Freunde am Sex, was zur Stabilisierung der Partnerschaft beiträgt.

    PDE-5-Inhibitoren  (Sildenafil, Vardenafil, Tadalafil, Avanafil) werden bei erworbener Ejakulatio praecox, z.B. wenn gleichzeitig eine erektile Dysfunktion vorliegt, oder auch zur Unterstützung einer häufigeren Sexualität alleine oder in Kombination mit Dapoxetin erfolgreich eingesetzt.

  • Verzögerter Samenerguss (Ejakulatio retarda)

    Altersabhängig erhöht sich bei Mann die Reizschwelle für sexuelle Reize, so dass visuelle Reize alleine häufig nicht mehr ausreichen, sondern auch Berührungsreize für das Erreichen einer harten Erektion, einer Ejakulation und Orgasmus benötigt werden. Häufig erfolgt der Samenerguss in höherem Alter nicht mehr so impulsiv, so wird oftmals im Alter auch ein gleichzeitiger Testosteronmangel (Hypogonadismus)  beobachtet. Hierbei kann ein Hormonsubstitutionstherapie mit einem Testosteron-Gel oder eine Testosteron-3-Monatsdepot in Einzelfällen bei Ejakulatio retarda helfen.

  • Ausbleibender Samenerguss (Anejakulatio)/ rückwärtiger Samenerguss(retrograde Ejakulation)

    Kommt es zu keinem Samenerguss mehr, spricht man von einer Anejakulation. Hiervon zu unterscheiden ist die retrograde Ejakulation, bei der das Sperma beim Orgasmus auf Grund eines offenen Blasenhalses in die Blase gelangt und mit dem ersten Urinieren nach dem Orgasmus entleert wird. Sowohl die Anejakulation als auch die retrograde Ejakulation müssen vom Urologen auf mögliche Ursachen untersucht werden:

    Bei angeborenen Erkrankungen kann es sich um Utriculuscysten, eine fehlende Samenblasenanlage oder Verschluß des Ductus ejaculatorius handeln. Neurologische Erkrankungen betreffen das sympathische Nervensystem (z.B. bei Diabetes mellitus, Alkoholismus),das Rückenmark (z.B. bei Tumoren, Entzündungen, Verletzungen) oder das Gehirn (z.B. bei Tumoren, Entzündungen und Gefäßveränderungen) . Erkrankungen und Verletzungen im Beckenbereich und unteren Bauchraum (z.B. bei Tumoren, Gefäßveränderungen, Nervenverletzungen, Verletzungen des Blasenhalses) wie auch Operationen an der Aorta (Bauchschlagader), Darmkrebs-Operationen (z.B. Rektumresektion), Prostataoperationen (TURPA, Laserkoagulation, HIFU-Ultraschall) sowie Lymphknotenentfernungen bei Hoden- oder Nierenkrebs sind weitere Ursachen. Mit am häufigsten führen sog.
    uro-selektive Alpharezeptoren-Blocker (Tamsolusin, Alfuzosin,Silodosin) , bei der Behandlung von Miktionsstörungen bei Prostatavergrößerung sowie ältere Antihypertensiva zur Behandlung des Bluthochdruckes (Diblocin) wie auch Psychopharmaka (Selektive Serotonin-Re-uptake Inhibitoren (SSRI), Neuroleptika, MAO-Hemmer und trizyklische Antidepressiva) zu einem rückwärtigen oder fehlenden Samenerguß.

    Die Diagnostik beim Urologen erfolgt durch die Analyse des Urin nach Masturbation , wobei die erste Urinportion nach der Selbstbefriedigung aufgefangen und nach Zentrifugation im Urinsediment mikroskopisch auf das Vorhandensein von Spermien untersucht wird. Vorhandene Spermien im Urin beweisen eine retrograde Ejakulation  als Folge eines fehlenden Blasenhalsverschlusses und können auch zur homologen Insemination , zur in vitro Fertilisation (IVF) oder intrazytoplasmatischen Injektion (ICSI) verwendet werden . Mit Sympathomimetika, die das sympathische Nervensystem stimulieren, kann in ca. 30% der Fälle eine Wiederherstellung einer normalen Ejakulation erzielt werden. Bei neurologisch bedingter Anejakulation kann auch eine Vibratortherapie unternommen werden, wobei ein Auslösen der Ejakulation mit Hilfe eines Handvibrators direkt auf der Eichel oder mit einer transrektalen Elektrostimulation (bei Querschnittslähmung) erfolgt.

  • Schmerzhafte Ejakulation – Prostatitis – Hämatospermie

    Eine schmerzhafte Ejakulation kann entweder durch eine Prostatitis (Entzündung von Prostata/Samenblasen) oder aber durch ein Prostataadenom (gutartige Prostatavergrößerung) ausgelöst werden und zu stechenden Schmerzen in der Damm- und Mastdarmregion führen. Bei Entzündungen kommt es oftmals zu einer blutigen oder rostbraunen Verfärbung des Spermas (Hämtospermie). Eine bakteriologische Spermaanalyse führt oft zum Nachweis von pathologischen Bakterien (z.B. E.coli, Enterokokken, Streptokokken) so daß dann eine gezielte Antibiotika-Therapie erfolgen kann.